Aktivierende Pflege

Bei der aktivierenden Pflege geht es nicht darum, pflegebedürftigen Menschen alle Aktivitäten abzunehmen, sondern ihre Selbstständigkeit zu fördern. Als Hilfe zur Selbsthilfe stärkt sie das Selbstbewusstsein pflegebedürftiger Personen und zeigt Wege auf, wie sich der Alltag entweder allein oder mit Unterstützung gestalten lässt.

Wie das Pflegekonzept Einzug in die häusliche Pflege erhält und was Sie dabei beachten sollten, verraten wir Ihnen in diesem Artikel.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die aktivierende Pflege zielt auf den Erhalt oder das Wiedererlangen der Selbstständigkeit bei alltäglichen Aufgaben ab.
  • Sie gehört zum Leitbild von Pflegeeinrichtungen und -diensten. Die aktivierende Pflege kann aber auch von pflegenden Angehörigen angewendet werden.
  • Die aktivierende Pflege wirkt sich langfristig positiv aus, da weniger Aufgaben durch die Pflegeperson übernommen werden müssen.
  • Zur Unterstützung bei der Verrichtung alltäglicher Aufgaben besteht ein Anspruch auf Hilfsmittel.

Aufgaben und Ziele der aktivierenden Pflege

Das Ziel der aktivierenden Pflege ist die Aufrechterhaltung oder Wiedererlangung der Selbstständigkeit im Alltag. Dafür konzentriert sich das Pflegekonzept auf die aktive Förderung der körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten.

Dies ist nicht nur Aufgabe professioneller Pflegekräfte in stationären Einrichtungen wie Pflegeheimen, sondern auch ambulanter Pflegedienste. Dabei findet eine Integration in die Grundpflege und Behandlungspflege statt. Außerdem können auch Sie als pflegender Angehöriger die aktivierende Pflege im Alltag umsetzen.

Die vier Grundsätze der aktivierenden Pflege

Mit der aktivierenden Pflege setzen Sie in verschiedenen Lebensbereichen an. Sie als Pflegeperson bieten Ihrem Familienmitglied bestenfalls so wenig Unterstützung wie möglich, jedoch so viel wie nötig. Dadurch erzielt die aktivierende Pflege einen wiederkehrenden Übungseffekt, der verhindert, dass die körperlichen und geistigen Kompetenzen bei Ihrem Angehörigen aufgrund von Nichtbeanspruchung nachlassen.

Folgende vier Grundsätze der aktivierenden Pflege gilt es zu beachten:

  1. Förderung der Selbstbestimmung: Beteiligen Sie Ihr Familienmitglied an Entscheidungen, die beispielsweise das Mittagessen betreffen.
  2. Berücksichtigung der vorhandenen Bedürfnisse und Fähigkeiten: Ermutigen Sie Ihren Angehörigen, einzelne Tätigkeiten wie das Zähneputzen selbst zu übernehmen.
  3. Stärkung der Zusammenarbeit: Unterstützen Sie Ihr Familienmitglied dabei, eigene Ziele zu entwerfen (zum Beispiel alleiniger Toilettengang) und arbeiten Sie gemeinsam an der Erreichung.
  4. Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Faktoren: Pflegebedürftige haben individuelle soziale und kulturelle Bedürfnisse. Berücksichtigen Sie diese und schaffen Sie damit eine Wohlfühlatmosphäre.

Aktivierende Pflege: Vorteile für Pflegebedürftige und Angehörige

Eine erfolgreiche aktivierende Pflege hat viele Vorteile, sowohl für pflegebedürftige Menschen als auch für pflegende Angehörige.

Dazu zählen:

  • Stärkung des Selbstbewusstseins
  • Förderung von Fähigkeiten
  • Entlastung von Angehörigen
  • Das Gefühl, als selbstständige Person wahrgenommen zu werden
  • Zunahme von Lebensqualität

Aktivierende Pflege: Maßnahmen, Planung und Umsetzung

Bei der aktivierenden Pflege ist es wichtig, sowohl Überforderung als auch Unterforderung bei der pflegebedürftigen Person zu vermeiden. Geduld und die richtige Planung sind wichtige Grundvoraussetzungen für das Pflegekonzept.

Bevor Sie starten, stellen Sie sich am besten folgende Fragen:

  • Welche Aufgaben kann mein Angehöriger selbst ausführen?
  • Wo sind Beaufsichtigung oder auch aktive Unterstützung erforderlich?
  • Welche Vorbereitungen sind für einen optimalen Ablauf notwendig?
  • In welchem Bereich bietet sich ein gelungener Start an (z.B. aktivierende Körperpflege)?

Neben der Bewältigung alltäglicher Aufgaben in Ihrem Beisein sind „Hausaufgaben“ sinnvoll. Diese können Sie Ihrem Angehörigen aufgeben – so kann Ihr Familienmitglied auch in Ihrer Abwesenheit an der Stärkung der Fähigkeiten arbeiten.

Viele Angehörige fragen sich, wie sie einen optimalen Einstieg in die aktivierende Pflege erhalten. Pflegekurse mit einem entsprechenden Schwerpunkt bieten dafür eine gute Grundlage. Sie können sich bei sozialen Einrichtungen, Wohlfahrtsverbänden oder der Pflegekasse informieren, ob und wann Kurse zur aktivierenden Pflege stattfinden.

Gut zu wissen!

Voraussetzung für die aktivierende Pflege ist, dass pflegebedürftige Personen kognitiv in der Lage sind, Erklärungen zu verstehen und umzusetzen.

Aktivierende Pflege: Beispiele – so sieht das Pflegekonzept im Alltag aus

Sie möchten wissen, welche Tätigkeiten der Begriff „aktivierende Pflege“ umfasst? Gerne geben wir Ihnen einige Beispiele für aktivierende Maßnahmen im Pflegealltag.

So könnte Ihre aktivierende Pflege aussehen:

  • Sie führen die Hand Ihres Angehörigen beim Zähneputzen
  • Sie leiten Ihr Familienmitglied dazu an, den Oberkörper mit einem Waschlappen in kreisenden Bewegungen zu säubern – stellen Sie dafür notwendige Produkte bereit.
  • Sie helfen Ihrem Angehörigen bei der Wahl der heutigen Kleidung.

Diese Hilfsmittel können die aktivierende Pflege unterstützen

Zur Förderung der Selbstständigkeit sind manchmal Hilfsmittel notwendig. Das Hilfsmittel sollte darauf ausgerichtet sein, das Wiedererlernen von Fähigkeiten zu unterstützen beziehungsweise vorhandene Fähigkeiten zu fördern.

Mögliche Hilfsmittel sind hier:

  • Bewegungshilfen
  • Betttisch
  • Rollstuhl
  • Badewannen- oder Duschsitze
  • Haltegriffe
  • Greifzangen
  • Ess- und Trinkhilfen
  • Strumpfanzieher

Denken Sie daran: Die Pflegekasse bezuschusst eine Wohnraumanpassung mit bis zu 4000 Euro je Maßnahme. Sie können den Zuschuss in Betracht ziehen, wenn Umbaumaßnahmen zur Barrierefreiheit in der Wohnung sinnvoll sind, um die Selbstständigkeit Ihres Angehörigen zu fördern.

Die verschiedenen Konzepte der aktivierenden Pflege

Mediziner:innen, Therapeut:innen und Pflegekräfte unterscheiden bei der aktivierenden Pflege die aktivierende therapeutische Pflege von der aktivierenden Pflege bei Demenz. Während sich die aktivierende therapeutische Pflege für Menschen mit mehreren alterstypischen Erkrankungen anbietet, eignet sich die aktivierende Pflege bei Demenz für Demenz-Patient:innen. Zwei Pflegemodelle gelten in Verbindung mit der aktivierenden Pflege als besonders populär.

Das Bobath-Konzept

Das Bobath-Konzept ist ein kinästhetisches Konzept, das für Patient:innen mit halbseitiger Lähmung oder neurologischen Erkrankungen entwickelt wurde. Die beeinträchtigte Körperhälfte soll während der Übungen aktiv in die Bewegungsabläufe einbezogen werden, um eine Kompensation durch die gesunde Körperhälfte zu vermeiden.

Das Konzept basiert dabei auf dem Ansatz des lebenslangen Lernens des Nervensystems, wonach die Übungen auf eine Verbesserung der neurologischen Leistung abzielen. Ziele sind hier die einfachere Bewältigung des Alltags und das Wiedererlangen einer eigenverantwortlichen Lebensqualität. Die enge Verbindung zur aktivierenden Pflege rührt daher, dass das Bobath-Konzept als Basis für die aktivierend-therapeutische Altenpflege gilt.

Das Pflegemodell nach Böhm

Erwin Böhm ist ein bedeutender Forscher auf dem Gebiet der Pflegewissenschaften. In seinem Pflegemodell fokussiert er sich auf ältere, an Demenz erkrankte Menschen und stellt deren Biografien in den Mittelpunkt. Bei dem Konzept ermitteln Pflegekräfte zunächst, welche Gewohnheiten bei den zu Pflegenden früher fester Bestandteil des Alltags waren.

Mit den entsprechenden Kenntnissen kann die Pflegeperson nun pflegebedürftige Menschen motivieren, Tätigkeiten wieder selbstständiger auszuüben – sich zum Beispiel Kleidungsstücke selbst auszusuchen oder sich mithilfe eines Positionskissens selbst zu rasieren. Entscheidend ist hierbei, dass Ihr Familienmitglied durch Vertrautes ein großes Maß an Sicherheit empfindet.

 

FAQ – Häufige Fragen zum Thema Aktivierende Pflege

Die aktivierende Pflege zielt darauf ab, die Selbstständigkeit pflegebedürftiger Menschen zu fördern. Damit kann wiederum eine Steigerung der Lebensqualität erreicht werden.

Durch die aktivierende Pflege erhalten Pflegebedürftige die Möglichkeit, Fähigkeiten zu stärken oder wiederzuerlangen – das fördert das Selbstbewusstsein und entlastet Angehörige.

Bei der aktivierenden Pflege ist viel Geduld gefragt. Während einige Menschen Fähigkeiten in wenigen Wochen zurückerlangen, dauert es bei anderen Personen viele Monate.

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